Wann gelingt Digitalsierung?
Das ideale Mindset für die Digitalisierung
„Machen Sie irgendetwas was in Sachen Digitalisierung!“
Das ist das Briefing, das wir letztens vom Vorstand eines Unternehmens für ein neues Projekt bekommen haben. An dieser Stelle müsste man sich als Berater höflich bedanken und den Rückzug antreten. Natürlich hofft man aber auf seine Strahlkraft und setzt darauf, mit einem wunderbaren Projekt alle Beteiligten auf den Geschmack zu bringen.
Was für ein Mindset müßte denn vorherrschen, um ideale Voraussetzungen für die Digitalisierung eines Unternehmens vorzufinden?
Darum soll es hier gehen.
Digitalisierung ist kein weiteres Projekt, das man wie eine SAP-Einführung aufsetzen, durchführen und abhaken kann. Digitalisierung bedeutet, die angestammte Disziplin zu wechseln.
Gleich so als müsste ein Langläufer plötzlich auch Sportschütze werden müssen. Und welcher Medaillen-Verwöhnte Lokalmatador im Skilanglauf ist bereit, als Biathlet wieder ganz unten anzufangen, wenn sich die ersten Gehversuche in der neuen Sportart als wenig erfolgversprechend herausgestellt haben?
Wann gelingt Digitalsierung?
Die Digitalisierung und damit der Wechsel in eine neue Disziplin kann daher nur gelingen, wenn
- - genügend Freiraum und Lust vorhanden ist, die eigene Komfortzone zu verlassen. Old Economy Unternehmen, die es sich als Platzhirsch gut in ihrer Branche eingerichtet haben, aber ihren Anlegern zu zwar geringen, aber stetigen Gewinnausschüttungen verpflichtet sind, bringen diese Lust in der Regel nicht mit.
- - sich beim Antesten von Digitalisierungsprojekten rasch erste Erfolge einfahren ließen und damit die Motivation wächst, sich auch in unternehmenskritische Bereichen vorzuwagen. Digitalisierungsprojekte werden oftmals als Feigenblatt gestartet, um den aufstrebenden Innovation-Manager oder das neue, unerfahrene Vorstandsmitglied zu beschäftigen. Sobald es aber an wirtschaftlich relevante Bereiche geht, wird in der üblichen Fahrrinne geschwommen.
- - Kein unmittelbarer wirtschaftlicher Druck dazu führt, Digitalisierungsprojekte rasch monetarisieren zu müssen.
Weht also bereits ein scharfer Wind von der digitalisierten Konkurrenz herüber, weil diese die letzten 5 Jahre dazu genutzt hat, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen, sind rasche Lösungen gefragt. Sogenannte Quickwins, die mehr Geld einbringen, als sie kosten. Die gibt es jedoch - wenn überhaupt - nur in ausgesuchten Detailbereichen. Haben Sie ihren Körper die letzten 20 Jahre vernachlässigt, werden Sie nicht schon beim nächsten Herbstlauf einen Platz am Siegerpodest einnehmen.
Beispiel gefällig? Bei einem großen internationalen Unternehmen werden nur mehr solche Internet-Projekte genehmigt, die einen unmittelbaren, in Verkaufszahlen zu berechnenden Nutzen haben. Nicht genehmigt werden: das neue Social Media Monitoring Tool, das Kundenservice-Portal, ein neues Content Management System mit Redaktionsprozessen. Das Unternehmen bleibt also weiterhin blind, was seine Follower betrifft, es kann Kundenverhalten nicht messen und die redaktionelle Kompetenz seines Webteams und die time-to-market von Produkten nicht erhöhen. Kein idealer Nährboden für Digitalisierungs-Vorhaben.
Die größten Fehler in Sachen Digitalisierung
Was sind also die größten Fehler, die wir bei den Unternehmen beobachten konnten:
1) Die Motivation für ein Digitalisierungsprojekt ist die Konkurrenz, die bereits ein Digitalisierungsprojekt hat.
2) Um vorausschauende Geschäftigkeit an den Tag zu legen, werden spontan Digitalisierungsprojekte ausgerufen.
3) Es werden vollkommen überzogene Erwartungen an solche Projekte angelegt.
4) Es wird eine neue Abteilung "Innovationsmanagement", "Online-Sales", oder "Digital Office" ins Leben gerufen, mit entsprechend Budget und Personal ausgestattet und erwartet, dass die im luftleeren Raum agierenden Aliens die nächsten Quartalsergebnisse verbessern. Wie Fremdkörper werden Berater und Mitarbeiter implementiert, im Glauben von nun an wieder produktiver zu werden.
Fazit
Digitalisierung kann nicht von oben verordnet werden. Sie muss als Zangenbewegung von den MitarbeiterInnen initiiert und getragen werden und sie muss von der Unternehmensspitze gefördert werden. Dabei ist in der Regel ein Risiko einzugehen. Dieses Risiko ist durchzuargumentieren und von der gesamten Führungsmannschaft zu tragen. Digitalisierung braucht je nach Größe und Behäbigkeit eines Unternehmens zwischen 3 und 5 Jahre, um nachhaltig Früchte zu tragen. Die Treiber für die Digitalisierung kommen in der Regel von Außen – vom Markt, von den Kunden/Usern, von der Konkurrenz. Was die Konkurrenz tut, kann jedoch nicht der Maßstab für die eigene Digitalisierung sein. Die Maßnahmen, die in einem Unternehmen zur Digitalisierung gesetzt werden, können je Unternehmen sehr unterschiedlich sein und müssen individuell konzipiert werden.